TMS und EU AI Act: Was deutsche Logistikunternehmen bis August 2025 über KI-Compliance wissen müssen
Die EU AI Act trat im August 2024 in Kraft und bringt für deutsche TMS-Anbieter und Logistikunternehmen erhebliche Compliance-Anforderungen mit sich. Ab dem 2. August 2025 gelten vollständige Regelungen für General-Purpose AI (GPAI)-Systeme, während die Mitgliedstaaten bis zu diesem Datum auch festlegen müssen, welche Behörden als Ansprechpartner fungieren.
Die Ausgangslage zeigt: Nur 31% der europäischen Logistikunternehmen nutzen derzeit KI im Transportmanagement, doch KI-Agenten entwickeln sich zu einem unverzichtbaren Trend für 2025. Deutsche Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre TMS-Systeme nicht nur technisch weiterzuentwickeln, sondern auch rechtssicher zu gestalten.
Risiko-Kategorien des AI Act für TMS-Funktionen
Der EU AI Act klassifiziert KI-Systeme nach einem risikobasierten Ansatz in vier Kategorien. Die neuen Regelungen schaffen Verpflichtungen für Anbieter und Nutzer abhängig vom Risikolevel, wobei viele KI-Systeme minimale Risiken darstellen, aber dennoch bewertet werden müssen.
Für TMS-Anwendungen bedeutet das: Routenoptimierung und Frachtkonsolidierung fallen typischerweise in die Kategorie "geringes Risiko". Maschinelles Lernen zur Vorhersage von Transitzeiten, Kapazitätsplanung und Identifikation risikobehafteter Sendungen sowie erweiterte KI für genauere Routenempfehlungen bei hohem Verkehrsaufkommen können jedoch höhere Risikostufen erreichen.
Autonome Entscheidungssysteme, die ohne menschliche Überwachung kritische Transportentscheidungen treffen, könnten als Hochrisiko-KI klassifiziert werden. KI-Systeme, die sich negativ auf Sicherheit oder Grundrechte auswirken, werden als Hochrisiko eingestuft, darunter auch Systeme für das Management kritischer Infrastrukturen.
Hochrisiko-KI in deutschen TMS-Systemen identifizieren
Alle Hochrisiko-KI-Systeme müssen vor der Markteinführung bewertet und während ihres gesamten Lebenszyklus überwacht werden. Für deutsche TMS-Anbieter sind besonders folgende Funktionen kritisch:
Predictive Maintenance-Algorithmen, die automatisch Wartungsentscheidungen für Transportfahrzeuge treffen, können als Hochrisiko-System eingestuft werden, wenn sie sicherheitskritische Infrastruktur betreffen. Automatisierte Spediteurauswahl-Systeme, die ohne menschliche Kontrolle Transportpartner für kritische Lieferungen bestimmen, fallen möglicherweise ebenfalls in diese Kategorie.
Sicherheitskritische Routenentscheidungen, etwa für Gefahrguttransporte oder zeitkritische medizinische Lieferungen, unterliegen besonderen Auflagen. Die Verpflichtungen für Hochrisiko-Systeme werden 36 Monate nach Inkrafttreten anwendbar, was deutschen Unternehmen bis August 2027 Zeit für die vollständige Compliance gibt.
Dokumentations- und Transparenzpflichten
Anbieter von GPAI-Systemen müssen technische Dokumentation, Transparenz, menschliche Aufsicht und Post-Market-Überwachung gewährleisten. Für deutsche TMS-Anbieter bedeutet das konkret:
Sie müssen detaillierte Trainingsdaten-Zusammenfassungen öffentlich verfügbar machen. Dies schließt eine ausreichend detaillierte Zusammenfassung über die für das Training des GPAI-Modells verwendeten Inhalte ein. Deutsche Unternehmen müssen dabei GoBD-konforme Dokumentation sicherstellen und Schnittstellen zu bestehenden Archivierungssystemen schaffen.
Transparenzpflichten verlangen, dass Nutzer klar erkennen können, wann sie mit KI-Systemen interagieren. Deutsche TMS-Anbieter wie Cargoson, Alpega und andere müssen ihre Benutzeroberflächen entsprechend anpassen.
Implementierungsstrategie für DACH-Unternehmen
Deutsche Logistikunternehmen sollten eine strukturierte Herangehensweise wählen. Erstellen und pflegen Sie ein umfassendes Inventar aller KI-Systeme in Ihrem Unternehmen und kategorisieren Sie jedes KI-System nach Risikostufe mit klarer Dokumentation für Auditzwecke.
Die Risikobewertung erfordert technische Expertise. Bewerten Sie zunächst alle KI-gestützten TMS-Funktionen: Sind sie automatisiert oder erfordern sie menschliche Überwachung? Treffen sie eigenständige Entscheidungen oder bieten sie nur Empfehlungen? Betreffen sie kritische Infrastruktur oder Sicherheitsaspekte?
Initiieren und erhalten Sie umfassende KI-Literacy-Programme in Ihrem gesamten Unternehmen. Seit dem 2. Februar 2025 ist Artikel 4 des EU AI Act über KI-Kompetenz in Kraft, der für Unternehmen gilt, die KI-Systeme entwickeln, vertreiben oder betreiben und sie dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter und externe Dienstleister im sicheren Umgang mit KI-Systemen und in der Einhaltung rechtlicher und ethischer Standards geschult sind.
Anbieterauswahl unter Compliance-Gesichtspunkten
Deutsche Unternehmen müssen ihre TMS-Anbieter kritisch bewerten. Etablierte Anbieter wie SAP TM und Oracle TM entwickeln eFTI-Module und arbeiten an Compliance-Lösungen. SAP Transportation Management mag perfekt für deutsche Operationen sein, hat aber möglicherweise Schwierigkeiten mit spezifischen Anforderungen italienischer Niederlassungen, während MercuryGate in Nordamerika hervorragend funktioniert, aber möglicherweise nicht die europäische Carrier-Netzwerkabdeckung bietet, die Sie benötigen.
Europäische Anbieter wie Cargoson, die speziell für grenzüberschreitende europäische Operationen entwickelt wurden, und etablierte Akteure wie Descartes, die ihre globalen Lösungen für europäische Komplexitäten angepasst haben, bieten verschiedene Compliance-Ansätze.
Prüfen Sie konkret: Verfügt der Anbieter über EU-Rechenzentren? Wie werden DSGVO-Anforderungen umgesetzt? Welche KI-Funktionen sind bereits AI-Act-konform entwickelt? Alpega TMS bietet eine cloud-basierte Lösung mit starken Fähigkeiten sowohl im Vertrags- als auch im Spot-Frachtmanagement, ist besonders stark in Europa und verfügt über Verbindungen zu über 80.000 Transportprofis in Europa.
Kostenauswirkungen und ROI-Überlegungen
Die Compliance-Kosten sind erheblich, aber kalkulierbar. Bei Nichteinhaltung drohen rechtliche Konsequenzen und erhebliche Bußgelder. Die EU AI Act sieht Bußgelder von bis zu 7% des weltweiten Jahresumsatzes vor - für deutsche Mittelstandsunternehmen ein existenzielles Risiko.
Andererseits ergeben sich Wettbewerbsvorteile: Frühe Compliance-Adopter können ihre KI-gestützten TMS-Systeme als Verkaufsargument nutzen. Durch den Einsatz eines TMS zeigen Statistiken, dass die meisten Unternehmen innerhalb von 6-18 Monaten einen ROI sehen, abhängig vom Umfang der Implementierung und der anfänglichen Investition.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung für deutsche Mittelständler: Eine initiale Compliance-Investition von €50.000-200.000 kann sich durch verbesserte Prozesseffizienz und Rechtssicherheit schnell amortisieren. Ein europäischer Hersteller mit €2M jährlichen Transportkosten und €200K TMS-Investition erreichte jährliche Einsparungen von €280K durch Routenoptimierung, Produktivitätssteigerungen und Streitreduzierung - ein ROI von 40%.
Ausblick: KI-Trends und Compliance-Entwicklung 2025+
Die Regulierungslandschaft entwickelt sich kontinuierlich weiter. Ab dem 2. August 2027 gilt der vollständige Anwendungsbereich des EU AI Act für alle Risikokategorien, einschließlich derer in Anhang II, die mittlere bis hohe Risiko-KI-Systeme abdecken.
Technologische Trends zeigen in Richtung autonomer KI-Agenten im TMS. Autonome KI-Agenten für Dokumentenextraktion, Spediteurauswahl, Netzwerk-/Routenoptimierung, Spediteurszusammenarbeit und Risikobewertung werden Standard werden.
Deutsche Unternehmen sollten bereits jetzt Governance-Strukturen aufbauen, die mit diesen Entwicklungen Schritt halten können. Die proaktive Vorbereitung auf die Implementierungsfristen des EU AI Act ist jetzt kritisch, wobei der Schwerpunkt auf den schnell anstehenden Compliance-Verpflichtungen für GPAI-Modelle im August 2025 liegt, während umfassend für Hochrisiko-Systemanforderungen ab August 2026 geplant wird.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD wird zusätzlichen Druck auf KI-gestützte Optimierung ausüben. TMS-Anbieter, die bereits heute Compliance und Nachhaltigkeit verknüpfen, werden 2025+ deutliche Marktvorteile haben. Unternehmen wie Cargoson, Alpega und Transporeon positionieren sich bereits entsprechend und integrieren Compliance-Tools in ihre Plattformen.